Facharztausbildung und Facharztweiterbildung im Überblick
„Nach der Prüfung ist vor der Prüfung“ – diese simple Aussage trifft auch auf Ärzte zu. Mit der Approbation als Arzt:Ärztin ist ihre berufliche Entwicklung keinesfalls abgeschlossen. Ärzten stehen im Arbeitsleben zahlreiche berufliche Perspektiven offen, eine davon ist die Facharztweiterbildung. Die Ausrichtung auf ein bestimmtes Fachgebiet beginnt bereits während des Medizinstudiums, mit dem Einstieg ins Berufsleben spezialisiert sich ein Assistenzarzt auf einen Fachbereich. Fast 50 medizinische Fachrichtungen stehen zum Erwerb des Facharzttitels zur Auswahl. Wir beantworten die wichtigsten Fragen zu Möglichkeiten, Voraussetzungen, Vergütung und Ablauf der Facharztausbildung.
Was ist ein Facharzt?
Der Facharzt kann auf eine erfolgreiche Ausbildung in einem medizinischen Fachgebiet verweisen. Fachrichtungen können beispielsweise die Chirurgie, Neurologie, Kinder- und Jugendmedizin, Allgemeinmedizin oder Innere Medizin sein. Fachärzte dürfen sich nur die Ärzte nennen, die eine mehrere Jahre dauernde Fortbildung in einem Fachbereich mit bestandener Facharztprüfung absolviert haben. Gesetzlich geregelt ist die Facharztweiterbildung in den Heilberufs- und Kammergesetzen der Länder. Präzisiert wird sie in den Weiterbildungsordnungen der Landesärztekammern, die sich an der Musterweiterbildungsordnung (MWBO) der Bundesärztekammer orientieren.
Der Facharzttitel gilt für ganz Deutschland. Er darf auf Briefbögen und Praxisschildern verwendet werden. Er berechtigt und verpflichtet zur Anwendung der jeweils aktuell anerkannten Heilmethoden und Behandlungsverfahren. Fachärzte dürfen mit Ausnahme von Notfällen und Urlaubsvertretungen nur in ihrem Fachbereich tätig sein.
Warum sollte ich Facharzt werden?
Eine Facharztausbildung ist nicht obligatorisch, dennoch gibt es gute Gründe dafür, ein Großteil der Absolventen wählt diesen Weg. Nach dem Studium bieten sich für Ärztinnen und Ärzte in der stationären Versorgung vielfältige Karrierechancen und Entwicklungsmöglichkeiten bis hin zum Chefarzt. Erreichbar sind solche Ziele jedoch nur, wenn Mediziner:innen als erstes eine Facharztausbildung absolvieren. Ausschließlich Fachärzte dürfen bestimmte Aufgaben ausführen. Bei ihnen wird davon ausgegangen, dass sie eine sorgfältige, gesicherte und anerkannte Behandlung, den sogenannten Facharztstandard, gewährleisten.
Eine Zulassung als Vertragsarzt zur Betreuung gesetzlich Krankenversicherter ist allein Fachärzten vorbehalten, die sich in eigener Praxis niederlassen können. Wer die Freiheiten der eigenständigen ärztlichen Entscheidung, Organisation und Behandlung schätzt, muss also mit der Qualifikation zum Facharzt beginnen. Auch Honorarärzte profitieren von einer Facharztausbildung. Nicht zuletzt nützt die Facharztweiterbildung den Patienten, da der:die ausgebildete Arzt:Ärztin stets auf dem neuesten Stand der Heilverfahren und Behandlungsmethoden sein muss.
Welche Voraussetzungen muss ich erfüllen?
Die Erlangung des Facharzttitels stellt daher den ersten logischen Karriereschritt nach dem Medizinstudium dar. Im Studium müssen die Studierenden theoretische Prüfungen in Form von 3 Staatsexamen (Physikum und Hammerexamen) meistern sowie praktische Hürden im Krankenpflegepraktikum und Praktischen Jahr (PJ) nehmen. Einzelheiten und wichtige Hinweise dazu findest du in unseren und weiteren Ratgebern, beispielsweise unter:
Hast du das Studium bewältigt und deine Approbation als Ärztin oder Arzt erhalten, beginnt für dich der Arbeitsalltag als Assistenzärztin bzw. Assistenzarzt in einer Uni-Klinik, einem Krankenhaus oder einer Lehrpraxis. Die Tätigkeit als Assistenzärztin ist verbunden mit der Ausbildung zur Fachärztin und schließt sich fast ausnahmslos direkt an das erfolgreiche Studium an. Daher wird ein Assistenzarzt:ärztin auch als Arzt:Ärztin in Weiterbildung bezeichnet.
Welche Fachrichtungen gibt es?
Derzeit gibt es 49 medizinische Facharztausbildungen.
Wie lange dauert die Facharztausbildung?
Die Fortbildung erfolgt durch von der Landesärztekammer zur Ausbildung bevollmächtigte Ärzte, meistens durch die leitenden Klinikärzte. Die Ausbildungsdauer beträgt im Durchschnitt 5 Jahre, sie schwankt je nach Fachrichtung zwischen 4 und 6 Jahren. Lediglich 4 Jahre Weiterbildung sind in den Fachgebieten Anatomie, Biochemie und Physiologie erforderlich.
60 Monate müssen angehende Fachärzte u. a. für die Ausbildung in diesen Spezialgebieten aufbringen:
- Allgemeinmedizin,
- Augenheilkunde,
- Hals-Nasen-Ohrenheilkunde,
- Innere Medizin,
- Kinder- und Jugendmedizin,
- Pharmakologie,
- Psychiatrie und Psychotherapie,
- Radiologie und
- Urologie.
6 Jahre umfasst die Fortbildung zum Beispiel in den Bereichen:
- Gefäßchirurgie,
- Herzchirurgie,
- Kinderchirurgie,
- Orthopädie und Unfallchirurgie,
- Neurochirurgie und
- Pathologie.
Dabei durchläuft der:die Arzt:Ärztin in Weiterbildung verschiedene Stationen im stationären oder ambulanten Bereich. Die Musterweiterbildungsordnung der Bundesärztekammer gibt vor, dass beispielsweise die 72 Monate Weiterbildung für die Orthopädie und Unfallchirurgie wie folgt aufzuteilen sind:
- 48 Monate in einer Klinik bzw. einem Bereich für Orthopädie und Unfallchirurgie,
- 6 Monate in der Notfallaufnahme und
- 6 Monate im Bereich Intensivmedizin.
- Bis zu 12 Monate Fortbildung können in anderen Fachgebieten durchgeführt werden.
Verbindlich festgelegt wird dies in den jeweiligen Weiterbildungsordungen der Landesärztekammern. Gegebenenfalls werden auch Auslandstätigkeiten auf die Facharztfortbildung angerechnet. Anerkannt werden Ausbildungsabschnitte, die über mindestens 6 Monate an einer ausländischen, zur Weiterbildung ermächtigten ärztlichen Institution durchgeführt wurden.
Kann ich die Facharztausbildung unterbrechen?
Laut Bundesärztekammer waren Ende 2020 409.121 Ärztinnen und Ärzte in Deutschland berufstätig, davon sind 39,5 Prozent ambulant und 51,8 Prozent stationär tätig. Von den ambulant tätigen Ärzten arbeiteten 71,2 Prozent als niedergelassene Ärzte in eigener Praxis. Der Trend, dass immer mehr Medizinstudierende weiblich sind, widerspiegelt sich im Anteil der Ärztinnen an der Gesamtzahl der Ärzte, er stieg im Jahr 2020 auf 48,2 Prozent.
Die Facharztweiterbildung trägt daher zunehmend familiären Erfordernissen Rechnung. Gerade für Assistenzärztinnen ist das ein unschätzbarer Vorteil. Die Ausbildung zur Fachärztin kann unterbrochen werden, sodass sich die beruflichen Pläne mit privaten Vorhaben und der Familiengründung besser vereinbaren lassen. Um beispielsweise den Nachwuchs zu betreuen, kann die Weiterbildung in Teilzeit absolviert und die wöchentliche Arbeitszeit reduziert werden. Sie muss dann mindestens die Hälfte der regulären Arbeitszeit betragen. Die Ausbildungsdauer verlängert sich dementsprechend.
Auch wenn sich herausstellt, dass die von dir gewählte Fachrichtung nicht zu dir passt, kannst du in ein anderes Fachgebiet wechseln und dir innerhalb von 10 Jahren ausgewählte Weiterbildungsabschnitte anrechnen lassen. Ein Wechsel des Fachbereichs kann sinnvoller sein, als sein Berufsleben als unzufriedener Arzt zu verbringen.
Wie viel verdient ein:e Arzt:Ärztin in Weiterbildung?
Der:Die Assistenzarzt:ärztin fängt mit ca. 4.800 Euro Bruttogehalt im Monat an. Das ist abhängig von Tarifverträgen und der Trägerschaft seiner Weiterbildungseinrichtung. Sein Gehalt steigert sich mit den Berufsjahren bis auf 6.200 Euro monatlich. Es handelt sich dabei um das Grundeinkommen ohne Zuschläge und Dienste. Nach 6 Jahren als Assistenzarzt ist keine Gehaltserhöhung mehr vorgesehen.
Nach Abschluss der Facharztausbildung wirst du laut Tarifvertrag umgehend eine Stufe höher eingruppiert. Je nach Tarifvertrag und ob es sich um einen akademischen, kommunalen oder privaten Arbeitgeber handelt, verdient ein Facharzt zwischen 70.000 und 96.000 Euro im Jahr. Das richtet sich nicht nach dem Fachgebiet, sondern nach den Arbeitsjahren. Bei ungefähr 8.000 Euro brutto ist nach 13 Berufsjahren die oberste Gehaltsstufe für Ärzte mit Facharzttitel erreicht.
In einer eigenen Praxis als freiberufliche:r Ärztin:Arzt sind die Verdienstmöglichkeiten nach Fachrichtung, Größe, Einzugsgebiet und Patientendisposition der Praxis sehr unterschiedlich. Ein durchschnittlicher Reinertrag von 192.000 Euro (2015, Quelle: Destatis) entspricht jedoch nicht dem Bruttogehalt eines:r angestellte:n Arztes, da der Praxisinhaber sich und seine Mitarbeiter in der Kranken-, Pflege-, Renten-, Unfall- und Arbeitslosenversicherung absichern muss.
Was ist vor der Facharztprüfung zu beachten?
Verantwortlich für die Facharztweiterbildung ist die zuständige Landesärztekammer. Die Weiterbildungsstätten werden von den Ärztekammern zugelassen und sind auf deren Webseiten aufgeführt. Der Inhalt der Ausbildung ist im Weiterbildungskatalog der jeweiligen Fachrichtung von der Landesärztekammer vorgegeben, der ebenfalls auf ihren Internetseiten zu finden ist. Gefordert werden vom Arzt in Weiterbildung fachspezifische Kenntnisse und dass er in der Ausbildung selbstständig Behandlungen, Untersuchungen und Operationen durchführt.
In einem als Logbuch bezeichneten Dokument sind alle vorgeschriebenen Ausbildungsinhalte durch Bestätigung des ausbildenden Arztes zu belegen. Mit dessen Unterschrift gehen das Logbuch und das Facharztzeugnis mit der Einschätzung zur persönlichen und fachlichen Eignung an die jeweilige Landesärztekammer. Damit kann die Zulassung zur Facharztprüfung per Anmeldeformular beantragt werden. Eventuell sind Approbationsurkunde, Lebenslauf, Arbeitsvertrag und eine Liste deiner Publikationen einzureichen, das erfährst du auf der Internetseite der Landesärztekammer. Die Anmeldung zur Prüfung muss mindestens 2 Monate vorher erfolgen.
Bedingungen für die Anmeldung zur Facharztprüfung sind:
- die Einhaltung der Mindestweiterbildungszeit,
- die Erfüllung der inhaltlichen Vorgaben der Fortbildung und
- das Facharztzeugnis als Bescheinigung der Facharztreife.
Wie läuft die Prüfung ab?
Den Facharzttitel erhält die Assistenzärztin oder der Assistenzarzt nach bestandener Prüfung, für die es keine Benotung gibt. Sie gilt entweder als „bestanden“ oder „nicht bestanden“. In 30 bis 45 Minuten wird der zu Prüfende von einer Prüfungskommission mit 3 Fachärzten seines Prüfungsgebiets und einem Vorsitzenden befragt. Gegenstand der Prüfung ist der gesamte Umfang der Facharztfortbildung. Mündlich darzulegen sind Grundlagenwissen, spezifische Kenntnisse über Diagnostik und Therapien, die auf konkreten Befunden von Labordaten und Röntgenbildern aufbauen, und neueste Erkenntnisse aus dem Fachbereich. Gefragt ist Wissen aus Fachliteratur genauso wie die Fähigkeit zur Begutachtung und Nachbehandlung von Patienten. Der Prüfling hat unter Beweis zu stellen, dass er in der Lage ist, nach den Standards von behandelnden Fachärzten seines Gebiets zu arbeiten. Solltest du die Prüfung nicht bestehen, kann auf Antrag deine Fortbildungszeit um bis zu 2 Jahre verlängert und eine Wiederholungsprüfung durchgeführt werden.
Tipp: Alle Tätigkeiten und Inhalte deiner Ausbildung müssen vollständig dokumentiert und unterzeichnet sein. Daran solltest du insbesondere bei einem Klinik-, Arbeitsplatz- oder Vorgesetztenwechsel denken, da du ansonsten unter Umständen Ausbildungsabschnitte wiederholen musst.
Was ist eine Zusatzweiterbildung als Facharzt?
Über den Facharzttitel hinaus können Zusatzweiterbildungen absolviert werden, diese sind nicht nur auf das ausgeübte Fachgebiet beschränkt. Es handelt sich um spezielle Qualifikationen, zum Beispiel für Akupunktur, Diabetologie, Ernährungsmedizin, Homöopathie, Psychoanalyse, Schlafmedizin usw. Der Arzt erwirbt damit keinen weiteren Titel, sondern eine Zusatzbezeichnung, die ihn als besonderen Fachmann ausweist. Zu den meisten Zusatzweiterbildungen wird man nur als Facharzt zugelassen, mit Ausnahme der Notfallmedizin und Medizinischen Informatik. Zusätzlich als Intensivmediziner dürfen sich beispielsweise nur Chirurgen, Internisten oder Neurologen bezeichnen. Für die Zusatzweiterbildung muss ebenso eine Prüfung abgelegt werden.
Kann ich mich sofort nach der Facharztausbildung niederlassen?
Wer keinen Facharzttitel besitzt, darf nur Privatpatienten behandeln. Somit ist die Facharztweiterbildung die Voraussetzung, um Mitglieder gesetzlicher Krankenkassen zu therapieren und eine eigene Vertragsarztpraxis zu gründen oder zu übernehmen. Mit der Facharzturkunde in der Hand, kannst du dich nach einer eigenen Praxis umsehen. Du solltest jedoch nichts überstürzen. Zunächst musst du dich fragen, ob dir die Risiken einer eigenen Praxis tragbar erscheinen. Schätze realistisch ein, ob du Patienten schon ausreichend medizinisch kompetent betreuen kannst oder ob du noch Erfahrungen durch Mitarbeit in einer anderen Haus- oder Facharztpraxis sammeln möchtest.
Im Rahmen dieser Überlegungen solltest du dich eingehend mit der wirtschaftlichen Seite der Praxisgründung bzw. Praxisübernahme beschäftigen. Ohne gründliche Planung wird es dir schwerfallen, die notwendige unternehmerische Denkweise zu entwickeln. Verfügst du über kein oder zu wenig Eigenkapital für die Praxisgründung nützt dir deine Qualifikation für die Realisierung deines Traums von der Selbstständigkeit als Vertragsärztin oder Vertragsarzt wenig. Deshalb denke bereits nach dem Medizinstudium und während der Facharztweiterbildung daran, Kapital anzusparen. Je weniger Kredite du zu einer Praxisübernahme oder -gründung benötigst, desto weniger Geld musst du an Banken und sonstige Kreditgeber zurückzahlen. In diesem Fall kannst du als Facharzt mehr verdienen, weil mehr Kapital für gewinnbringende Investitionen und deine Vermögensbildung übrig bleibt.
Woran sollten künftige Fachärzte außerdem denken?
Du musst dich zudem für den richtigen Standort und die passende Niederlassungsform entscheiden. Für eine selbstständige Niederlassung beantragst du zuerst den Eintrag ins Arztregister bei der Kassenärztlichen Vereinigung (KV). Du benötigst dazu die Approbation und die Facharzturkunde. Anschließend stellst du beim Zulassungsausschuss der KV einen Antrag auf kassenärztliche Zulassung als Vertragsarzt und für den gewünschten Vertragssitz deiner Praxis. Lass dich unabhängig beraten, welche Strategie für dich auf dem Weg zur eigenen Praxis am besten geeignet ist. Wir helfen die gerne weiter.