Wie war die Vorklinik? Ein Rückblick.

Rückblick auf die Vorklinik

Wie wichtig war die Vorklinik und hat sich das ganze Lernen für den klinischen Alltag gelohnt? In diesem Erfahrungsbericht möchte ich nochmal die Vorklinik Revue passieren lassen und Vorklinikern zeigen, dass Wissenslücken ganz oft gar nicht so große Auswirkungen haben, wie man befürchtet.

Vorklinischer Fokus: Naturwissenschaften

In den ersten vier Semestern des Studiums liegt ein großer Schwerpunkt auf naturwissenschaftlichen Fächern. Vor allem liegt ein Fokus auf Biochemie. Aber auch auf Physiologie mit den vielen physikalischen Gesetzen wie das Laplace-Gesetz, welches eine Beziehung zwischen der Wandspannung von Hohlräumen und der Wanddicke herstellt, oder der Goldmann-Gleichung zur Berechnung des Spannungszustandes einer beliebigen Membran. Neben diesen Fächern gibt es noch die Anatomie als Kernfach. Untergliedert in makroskopische und mikroskopische Anatomie sowie die Neuroanatomie.

Das Examen als Eintritt in die Klinik

Um zu verstehen, wie wichtig nun die Lehre der Vorklinik ist, versuche ich mich an meine Examensprüfung zu erinnern. Das dort abgefragte Wissen, welches über den Eintritt in die Klinik entschieden hat, werde ich nochmal rückblickend bewerten. Und werde zeigen, dass das Detailwissen weniger entscheidend als das Verständnis des großen Ganzen ist. In Biochemie wurde ich neben den Strukturformeln für Kohlenhydrate, den molekulare Grundlagen von Molekül- und Atombindungen über die Eigenschaften von biologischen Grundbausteinen befragt. Der Physio Professor wollte von mir wissen, wie das Erregungsmuster einer beliebigen Muskelzelle aussieht und welche Ionenströme letztendlich eine Aktion hervorrufen. Und in der Anatomie musste ich neben einem Gewebeschnitt des Hodens auch den Gastrointestinaltrakt unter dem Mikroskop erkennen. Außerdem sollte ich an einem Schädel bestimmte Nervenverläufe zeigen.

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Konzepte > Detailwissen

Wie wichtig ist dieses Wissen nun in der Klinik?
Vernachlässigbar gering. Ich will nicht sagen, dass es unwichtig ist. Aber doch bei Weitem weniger wichtig, als es die Vorklinik suggeriert. Ich meine natürlich: Bei einem Patienten mit Visusverschlechterung kann an einem Hypophysentumor gedacht werden. Und bei der kardialen Diagnostik ist im Ultraschall eine Myokardverdichtung ein Alarmsignal. Doch dass die Hypophyse eine sehr enge anatomische Nähe zum Nervus opticus hat und ein Tumor an dieser Stelle also zur Sehbehinderung führen kann, ist ein sehr einfach zu verstehendes Konzept. Genauso leicht zu verstehen ist, dass eine Belastung des Herzmuskels diesen stärker und größer werden lässt, schnell erklärt und verstanden. Ganz ohne Formeln, abstrakte Zahlenspiele und das sture Auswendiglernen unzählig vieler Nerven und ihren kleinsten Verästelungen.

Der Stellenwert in der Wissenschaft

Und was ist mit dem Hoden? Auf Anhieb würde ich diesen im Schnittbild vermutlich gar nicht mehr erkennen. Meine wissenschaftliche Laufbahn ist im Feld der Gastroenterologie. Viel wichtiger ist auch hier das Verständnis von Konzepten als von Detailwissen. Zum Beispiel, dass eine Genmutation im APC-Gen einen Tumorsupressor stilllegt und zu Neoplasien führen kann. Der genaue Signalweg, verminderter Abbau von Beta-Catenin, einem Transkriptionsfaktor, verantwortlich für die Zellproliferation, interessiert mich kaum noch. Und kann bei Bedarf natürlich jederzeit nachgeschlagen werden.

Kopf hoch!

Die Vorklinik kann einen verrückt machen. So viel gilt es zu verstehen. Jede Kleinigkeit scheint wichtig zu sein. Bisher habe ich aber eine ganz andere Erfahrung gemacht. Und schlage mich ganz gut durch die Klinik. Mit dem Wissen hätte ich es in den ersten Semestern etwas ruhiger angehen lassen können. Diese Nachricht möchte ich jedem Vorkliniker, der selbst vor der Herausforderung des immensen Wissenberges steht, mitgeben. Eure Lücken machen aus euch keinen schlechten Arzt. Lasst euch nicht entmutigen und freut euch auf eine greifbare Lehre in der Klinik!

Weitere Berichte über die Vorklinik findet ihr hier!

Euer Marvin,
Medizinstudent an der Universität Würzburg und jungmediziner.de Campus Captain

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