In Krisenzeiten Medizin studieren

Medizin studieren in Krisenzeiten

Am 03. April kam per Post meine offizielle Bestätigung – ich habe mein Staatsexamen bestanden. Die Prüfung legte ich am 11. März ab. Seit dem 16. März helfe ich gegen Corona in der Virologie. Ein Erfahrungsbericht über die Mithilfe gegen die Bekämpfung des SARS-CoV-2-Virus. Aber wie ist es Medizin zu studieren in Krisenzeiten?

Viel Zeit zum Durchschnaufen blieb mir nicht. Der Urlaub fiel aus, Freunde und Verwandte konnte ich nicht besuchen. Auf das Staatsexamen habe ich mich über sechs Monate vorbereitet. Keine sechs Tage nach der Prüfung fand ich mich im virologischen Institut wieder – in einem Vollzeitjob. Ich habe mich bewusst dazu entschlossen, in Krisenzeiten helfen zu wollen. Auch zögerte ich nicht, als ich über die Jobannonce stolperte, ich wollte helfen und mich einbringen. Die meisten Menschen sollen von zu Hause arbeiten und sich isolieren. Bei Mediziner:innen geht das nicht. Wir sind vorne mit dabei. Nun arbeite ich in einem Labor. Ärzte schicken uns Abstriche ihrer Patienten und wir untersuchen diese auf das Virus. Näher dran sein kann man nicht.

Die Vorbereitung

Bereits an Tag eins fühlte ich mich als vollwertiges Mitglied des Teams. Meine Arbeitskollegen und ich bekamen noch vor Arbeitsantritt ein gemeinsames Briefing in einem Hörsaal der Virologie und wurden so auf die Brisanz der Situation hingewiesen. Unser jetziger Chef evaluierte damals in einem ruhigen und besonnenen Ton die derzeitige Situation. Er vermied es, über große Zahlen zu sprechen und er sprach auch nicht direkt über das, was Deutschland noch erwarten sollte. Instinktiv wussten wir aber, dass uns schwere Zeiten bevorstehen würden. Wohlgemerkt: Dies war Mitte März und Deutschland zählte zu dem Zeitpunkt ungefähr 6000 Infizierte. Und wir sollten Recht behalten. Heute, 20 Tage später, liegen wir bei über 90.000 Infizierten. Wir ahnten schon, dass unsere Arbeitskraft nun dringend gebraucht würde.

Der Arbeitsalltag

Heute helfe ich dem Team der Virologie mit einem guten Freund und weiteren Studierenden bei der Bearbeitung der ankommenden Proben. Wir bekommen diese Proben, bei welchen es sich meist um Abstriche aus der Nase oder dem Rachenraum handelt, aus einem großen Einzugsgebiet rund um Würzburg.

Mein Arbeitsspektrum ist vielfältig, so nehme ich die Proben persönlich an, leite diese ins Labor weiter, beschrifte und archiviere sie. Ich bearbeite die Proben auch selbst im Labor, sodass diese von unseren Maschinen auf den COVID Erreger untersucht werden können. Außerdem arbeite ich auch im Büro und übernehme Aufgaben um das Team zu entlasten. Ich archiviere Akten und Rechnungen. Aber ich beantworte auch das Telefon. Am häufigsten wollen Anrufer ihren Corona Befund mitgeteilt bekommen. Sollte ihr also in nächster Zeit von einem Arzt:Ärztin oder in einer der neuen Corona Untersuchungsstellen in Würzburg auf den Virus untersucht werden, ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass ich in irgendeiner Weise mit Ihrer Probe in Berührung kommen.

Schutz und Social Distancing

Würden unser Team sich infizieren, so wäre dies fatal. In der ganzen Welt findet Deutschland Beachtung, weil wir einen vergleichbar milden Verlauf der Pandemie vorzuweisen haben. Dabei ist sich jeder einig: Eine gute Diagnostik, also die großen Testkapazitäten unseres Landes, tragen maßgeblich dazu bei, dass wir Infizierte relativ schnell und sicher erkennen und somit sehr gut auf diese reagieren können. Ich muss mich entsprechend gut vor einer Infizierung schützen. Seit Beginn der Arbeit wurde von uns allen das soziale Distanzieren erwartet, welches mittlerweile auch von der Landesregierung verhängt worden ist. Das virologische Institut Würzburgs gehört zu einer von deutschlandweit ungefähr 50 vergleichbaren Einrichtungen, die auf das Corona Virus testen. Würden wir uns untereinander anstecken, so wäre der Arbeitsausfall womöglich nicht zu kompensieren. 

Gebraucht zu werden

Mein Studium bestand bis zum heutigen Zeitpunkt aus 3 Jahren Theorie. Praktische Erfahrung wurde uns nur in Ansätzen vermittelt. Würde ich die Zeit, welche ich vor Büchern verbrachte, um Medizin zu lernen, mit der Zeit vergleichen, in welcher ich das gesammelte Wissen in der Realität anwenden könnte, so sähe die Bilanz wirklich ernüchternd aus. Nun aber habe ich endlich die Möglichkeit, das zu machen, wofür ich so lange gekämpft und gearbeitet habe: Menschen zu helfen.

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Euer Marvin
Medizinstudent an der Universität Würzburg und jungmediziner.de Campus Captain

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