Erfahrungsbericht: Famulatur beim Hausarzt
Diese Semesterferien habe ich genutzt, um eine der vier Famulaturen meines Medizinstudiums zu absolvieren. Der Begriff Famulatur ist Medizinerjargon und bedeutet nichts anderes als “Praktikum”. Jeder in Deutschland studierende Medizinstudierender muss vier solcher Famulaturen während seines Studiums abhaken, einige davon auch im Krankenhaus. Als Sinn steckt dahinter das frühzeitige Sammeln von Erfahrungen in der Praxis eines Arztes. Ob diese Maßnahme die individuelle Medizinerlaufbahn tatsächlich bereichert oder doch ähnlich zu kritisieren ist, wie das obligate Pflegepraktikum, galt es herauszufinden. Soviel vorweg: Das Praktikum, bei welchem ich mich für eine Hausarztpraxis entschied, war mega!
Bereits meine zweite Famulatur
Mit dem Beenden meiner Famulatur in dem 14.000 Einwohner starken Dorf, was dementsprechend meine Tätigkeit in der Allgemeinmedizin schon fast dem landärztlichen Bereich zuschreibt, habe ich bereits mein zweites Zeugnis über das Absolvieren einer 30-tägigen Famulatur erhalten. Das erste Mal habe ich ohne direkten Patientenkontakt in der Virologie famuliert. Dies war nur möglich, da Deutschland im Rahmen des Ausrufs der Epidemiesituation von nationaler Tragweite die Approbationsordnung diesbezüglich temporär änderte. Normalerweise wird nämlich eine Famulatur vom Prüfungsamt nicht als solche anerkannt, sollte diese ohne Patientenkontakt stattgefunden haben.
Warum Allgemeinmedizin?
Vielstimmig erreichte mich die Meinung, doch als erste (richtige) Famulatur nicht die Allgemeinmedizin zu wählen. Man habe noch zu wenig Erfahrung und zu wenig Wissen am Anfang des sechsten Semester und würde von der Famulatur nicht profitieren, hieß es. Man hätte ja noch nichtmal Pharma gehabt! Andere Stimmen behaupteten das Gegenteil und wieder andere glaubten, eine Famulatur bei einem Hausarzt wäre sowieso langweilig, egal wann sie stattfindet. Davon habe ich mich wenig beirren lassen. Fest entschlossen, nach dem ganzen Corona Wirrwarr im Ausland zu famulieren, war es für mich auch taktisch am sinnvollsten, die Famulatur, die per Beschluss unbedingt in Deutschland stattfinden muss, genau jetzt abzuschließen. Und das ist nunmal das Praktikum bei einem Hausarzt. Und ich kann sagen, die Entscheidung war die richtige.
Ablauf der Famulatur
Ein mega nettes Team begrüßte mich in der Praxis. Es bestand aus einem Arzt, einer Ärztin und fünf medizinischen Fachangestellten. Die gut ausgestattete Praxis besaß neben einem Ultraschallgerät auch einen kleinen Operationsraum und ein Labor. Ich durfte überall dabei sein und es wurde großen Wert darauf gelegt, mir bei meinen ersten Schritten des ärztlichen Handelns so viel Unterstützung mitzugeben, wie es nur möglich war. Ich hatte das Gefühl, als würden alle, Mitarbeiter als auch Patienten, viel Spaß daran haben, mir beim Lernen zu helfen.
Wobei es auch Ausnahmen gab. Im Rahmen der Gesundheitsvorsorge lässt man sich dann doch lieber von einem Profi als von einem Greenhorn auf Auffälligkeiten der Prostata untersuchen. Trotzdem: Ich bekam eigene Patienten, erhob sehr oft die Erstanamnese und kam in den Genuss von einer Art Privatunterricht.
Der Doktor kommt gleich
“Habe ich mich schon vorgestellt? Ich bin der neue Farmulant. Im Rahmen meiner medizinischen Ausbildung darf ich in den nächsten Wochen den Ärzten über die Schulter schauen. Wenn Sie nichts dagegen haben, führe ich mit Ihnen ein kleines Vorgespräch, bevor der Doktor kommt. Sind Sie damit einverstanden?” Ungefähr so habe ich regelmäßig die Patienten in Empfang genommen. Diese haben meiner geplanten Unternehmung ausnahmslos freundlich zugestimmt und erzählten mir ganz offen und gerne ausführlich von Ihren Beschwerden. Sie berichteten von Schmerzen im Rücken und Kopf, von Hautveränderungen nach Insektenbissen und von Depressionen und psychischen Belastungen. Der Hausarzt ist zumeist die erste Anlaufstelle, bei Unwohlsein. Seine Aufgabe ist es, einen milden von einem schweren Verlauf zu unterscheiden und die erste Verdachtsdiagnose zu stellen. Hier ist viel Erfahrung gefragt, denn diese muss mit einfachen diagnostischen Mitteln erfolgen und sollte besser so treffend wie möglich sein. Denn würde eine schwere Krankheit nicht korrekt diagnostiziert werden, so könnte das doch schwere Folgen für den:die Arzt:Ärztin aber vor allem den Patienten haben. Demzufolge habe ich ein breites Spektrum an Krankheitsbildern, aber auch an diagnostischen Möglichkeiten, die sich allein aus einfachen Untersuchungen und präzisen Fragestellungen ergeben, kennenlernen dürfen.
Mein Fazit lautet
Eine Famulatur in der Allgemeinmedizin eignet sich aus meiner Sicht auch am Anfang des klinischen Teil im Medizinstudium. Denn wenn ich einen Freund zitieren darf: „Es ist es doch von Vorteil, Pharma eben noch nicht gehabt zu haben, da man sonst nichts neues mehr für die Klausur lernen würde.“ Mit anderen Worten: Es ist nicht notwendig, bereits alles vor Antritt der Famulatur zu kennen. Auf die kleinen oder großen Fehltritte und vielen Fragen wird in der Regel auf ganz verständnisvolle Art reagiert. Wie immer gilt aber so aktiv, wie irgendwie möglich zu sein. So nimmt man das meiste aus der Zeit mit und zeigt seinem Arbeitsumfeld, dass man gewillt ist, zu lernen. Das gefällt eigentlich allen.
Euer Marvin
Medizinstudent an der Universität Würzburg und jungmediziner.de Campus Captain