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Landarztmangel: Wie Anreize für Ärzte und Studierende geschaffen werden sollen

Bis 2035 werden in Deutschland ca. 11.000 Hausärzte fehlen. Das ist das Ergebnis einer Datenerhebung der Robert-Bosch-Stiftung. Vor allem in ländlichen Regionen ist der Mangel bereits heute Realität. Wartelisten scheinen schier zu platzen. Nicht selten finden Praxen keinen Nachfolger. Eine flächendeckende Rund-um-die-Uhr-Versorgung ist oftmals gefährdet. Doch was liegt dem Mangel zugrunde? Was wird getan, um den Landarztberuf attraktiver zu gestalten? Und wie habe ich als Student die Möglichkeit mich vom Leben eines Landarztes überzeugen zu lassen? Fragen, auf die wir euch im Folgenden Antworten geben möchten.

Warum wird überhaupt ein Mangel an Hausärzten vorausgesagt?

Aufgrund des demographischen Wandels altert die Bevölkerung in Deutschland stetig. Und das bei gleichzeitig steigender Lebenserwartung. Laut statistischem Bundesamt werden im Jahr 2040 42% der Deutschen über 67 Jahre alt sein. Dadurch steigt der Bedarf an medizinischer Versorgung stetig. Gleichzeitig sind 35% der Hausärzte derzeit über 60 Jahre alt und werden somit zeitnah in Rente gehen. Das entspricht immerhin mehr als einem Drittel aller Allgemeinmediziner! Doch genügend Nachschub gibt es nicht, mehr dazu später. Folglich müssen immer mehr Patienten auf immer weniger Ärzte verteilt werden. Und schon heute ist die Situation zum Teil besorgniserregend. Vielerorts sind die Wartezimmer voll, die Zeit für das Patientengespräch begrenzt und für den Hausbesuch kaum mehr Kapazitäten frei. Die schon heute prekäre Situation wird sich in den kommenden Jahren voraussichtlich weiter verschlimmern, wenn nicht entsprechend entgegengesteuert wird.

Warum fehlen vor allem in ländlichen Regionen Hausärzte?

Eine Meinungsumfrage unter Ärzten zeigt: die individuellen Gründe sind vielfältig. Manch einer nennt den Mangel an Einkaufsmöglichkeiten oder die schlecht ausgebaute Infrastruktur. Denn nicht selten kann man auf dem Land an einer Hand abzählen, wie oft der Bus täglich verkehrt. Ohne Auto ist man in der Regel aufgeschmissen. Andere wiederum genießen das urbane Lebensgefühl und das vielfältigte kulturelle Angebot, das das städtische Umfeld bietet. Die Berufsperspektiven des Partners oder ein großes Bildungsspektrum für die eigenen Kinder spielen nicht selten auch eine entscheidende Rolle, warum viele Ärzte die Stadt als Wohn- und Arbeitsort präferieren. Doch gleichzeitig gibt es viele gute Gründe auf das Land zu ziehen. Einige davon, wollen wir uns im Folgenden näher anschauen.

Landarztmangel Blogpost: Gute Gründe als Landärztin oder Landarzt zu arbeiten - Anreize für Ärzte, Medizinstudierende

Gute Gründe, um auf das Land zu ziehen

1. Geregelte Arbeitszeiten:

24-Stunden-Schichten, endlose Wochenenddienste oder massenhafte Überstunden – ade! Als Inhaber einer Praxis bist du dein eigener Chef. Deine Arbeitszeiten kannst du dir ziemlich frei einteilen. Und die Bereitschaftsdienste pro Jahr lassen sich an einer Hand abzählen. Entscheidest du dich für ein Angestelltenverhältnis oder die Arbeit in Teilzeit, kannst du das in der Hausarztmedizin in der Regel ziemlich gut realisieren. Man kann also sagen: Privatleben und berufliche Verwirklichung lassen sich wesentlich leichter miteinander vereinbaren im Vergleich zu mancher Klinikkarriere.

2. Finanzielle Vorteile:

Die Not ist in manchen ländlichen Gebieten so groß, dass gut ausgestattete Praxen zu sehr günstigen Konditionen abgegeben werden. Nicht selten werden sie sogar gänzlich verschenkt! Daneben gibt es weitere lukrative Förderungsmöglichkeiten. Doch dazu später mehr. Und auch die laufenden Kosten (Miete, Nebenkosten etc.) sind auf dem Land oft geringer als in der Stadt. Auch der Traum vom Eigenheim ist oftmals noch realisierbar, während die Preise im städtischen Raum immer weiter steigen.

3. Idylle, Natur & Ruhe

Wer die Natur liebt, kommt auf dem Land definitiv auf seine Kosten. Egal ob eine Joggingrunde über die Felder, eine Mountainbiketour durch den Wald oder ein Sprung in den nahegelegenen See am Feierabend – das Land bietet den perfekten Ausgleich für den Praxisalltag. Wiesen, Felder, Berge, Wälder oder Seen, ihr könnt alles direkt vor der Haustür haben. Das bringt euch einen enormen Erholungsfaktor neben dem Arbeitsalltag!

4. Langfristige Arzt-Patienten-Beziehung

Die Arzt-Patienten-Beziehung auf dem Land ist das Gegenteil von der Anonymität der Großstadt. Während im städtischen Raum Patienten gut und gerne regelmäßig Ärzte-Hopping betreiben, betreut man in ländlichen Regionen Familien oft über Generationen hinweg. Die langfristige Patientenbegleitung schafft ein unbezahlbares entgegengebrachtes Vertrauen.

5. Selbstbestimmtes Arbeiten:

Wer sein eigener Chef ist, kann viel mehr selbst über seinen Arbeitsalltag bestimmten. Wie möchte ich arbeiten? Mit wem möchte ich arbeiten? Und wie lange überhaupt? Ihr könnt euch eure Arbeitszeiten selbst einteilen. Und euer Team könnt ihr euch nach eigenem Gusto selbst zusammenstellen. Überholte hierarchische Strukturen sind hier fehl am Platz!

Lösungsansätze – Wie versucht die Politik künftig mehr Ärzte aufs Land zu locken?

Die Politik engagiert sich, um Studierenden Anreize für den Landarztberuf zu schaffen. So vergeben manche Landesregierungen Stipendien für Studenten. Diese verpflichten sich dadurch später in einer Landarztpraxis bzw. -krankenhaus tätig zu werden. Anderswo wurde bereits die sogenannte Landarztquote eingeführt, darunter auch in Bayern. Doch worum handelt es sich dabei genau? Bekanntlich ist es aufgrund des hohen Numerus Clausus ziemlich schwierig einen Medizinstudienplatz zu bekommen. Ohne Einser-Abitur kann das Unterfangen ganz schön schwierig werden. Durch die Einführung der Landarztquote erhält ein gewisser Prozentsatz an Bewerbern, unabhängig von der Abiturnote, eine Zusage für das Studium. Im Gegenzug verpflichtet man sich dazu später als Hausarzt in einem unterversorgten Gebiet für mindestens 10 Jahre tätig zu werden. Ebenso vergeben manche Kreiskliniken Stipendien, sofern man nach erhaltener Approbation in ihrer Klinik arbeitet. Ziel all dieser Maßnahmen ist es bereits im Studium Anreize zu setzen, um Studierende an ländliche Regionen zu binden.

Die Kassenärztliche Vereinigungen und Landesregierungen haben außerdem verschiedene Programme ins Leben gerufen, um den Landarztberuf attraktiver zu gestalten. So wird in manchen Bundesländern eine lukrative finanzielle Unterstützung bei Praxisgründung bzw. -übernahme auf dem Land zugesagt. Teilweise werden sogar Umsatzgarantien ausgesprochen, Vergütungszuschläge geboten oder Umzugs- und Einrichtungskosten übernommen. Künftig sollen außerdem Weiterbildungsassistenten in Hausarztpraxen die gleiche Vergütung wie Assistenzärzte in Kliniken erhalten. Einige Ärzte fordern hingegen man müsse Allgemeinmedizinern mehr Geld zahlen. Denn Geld wäre das Einzige, was mehr Attraktivität schafft. Inwiefern sich die Bemühungen auszahlen, wird sich in den nächsten Jahren zeigen.

Reinschnuppern in das Leben eines Landarztes – welche Möglichkeiten habe ich als Student?

Könntest du dir vorstellen später einmal auf dem Land zu arbeiten? Die Frage lässt sich am besten beantworten, indem du in das Leben eines Landarztes schon zu Studienzeiten hineinschnupperst. Welche Möglichkeiten du insbesondere als Medizinstudent in Würzburg hast, zeigen wir dir im Folgenden.

BeLa – Beste Landpartie Allgemeinmedizin

Als Medizinstudent der Uni Würzburg hast du die Möglichkeit dich für das Stipendienprogramm „BeLa“ zu bewerben. Dir wird ein spannender, vertiefender Einblick in die Allgemeinmedizin geboten. Neben praktischen Kursen in der Lehrklinik und interessanten Wahlfächern wirst du von kompetenten Hausärzten aus der Region betreuut. Das BeLa-Gebiet umfasst die Regionen Schweinfurt/Haßberge, Main-Spessart und Würzburg-Ochsenfurt. Mehr Informationen über das Programm erhältst du auf der Homepage des Instituts für Allgemeinmedizin.

Entscheidest du dich mindestens zwei Tertiale in der BeLa-Region zu absolvieren, wirst du mit 600€ pro Monat unterstützt. Neben dem Wahltertial Allgemeinmedizin kannst du zusätzlich das Chirurgie- und/oder Innere-Tertial in ausgewählten BeLa-Kliniken antreten. Danach verpflichtest du dich übrigens nicht für eine Facharztausbildung in der BeLa-Region.

Wahlfächer rund um das Thema Allgemeinmedizin

Die Uni Würzburg bietet dir spannende Wahlfächer im Bereich Allgemeinmedizin. In der Vorklinik kannst du den Kurs „Einführung in die hausärztliche Denk- und Handlungsweise“ belegen. Neben Seminaren, die sich rund um das hausärztliche Dasein drehen, werden dir zusätzlich Praxishospitationen ermöglicht.

Im klinischen Abschnitt des Studiums wird dir das Wahlfach „Ohne Sorge in die Niederlassung – Simulation einer Praxisübernahme“ angeboten. Bekanntlich werden betriebswirtschaftliche Themen im Studium immernoch sehr stiefmütterlich behandelt. Doch was gilt es bei einer Praxisübernahme alles zu beachten? Um das herauszufinden, simuliert ihr eine Praxisübernahme innerhalb eurer Wahlfachgruppe.

Förderungsmöglichkeiten einer Landarzt-Famulatur

Seit 2013 muss eine von vier Famulaturen beim Hausarzt angetreten werden. Entscheidest du dich für eine Famulatur auf dem Land, kannst du dich um eine finanzielle Förderung bemühen. Der Bayrische Hausärzteverband (BHÄV) erstattet dir zusammen mit der Techniker Krankenkasse Unterkunfts- und Reisekosten bis zu 600€. Alternativ bietet dir die Kassenärztliche Vereinigung Bayern (KVB) eine Unterstützung bis 1000€ an. Die Voraussetzungen kannst du den entsprechenden Websiten entnehmen. Prinzipiell ist die Organisation eines Platzes studentische Sache. Falls du Inspirationen suchst, dann schau doch mal in die Famulaturbörsen der Deutschen Gesellschaft für Allgemeinmedizin (DEGAM), der BHÄV oder der KVB.

Blockpraktikum – zwei Wochen Allgemeinmedizin im 10. Semester

Im 10. Semester warten jeweils zweiwöchige Praktika auf dich. Unter anderem hospitierst du im Rahmen des Blockpraktikums Allgemeinmedizin bei einem Hausarzt. Da das Lehrangebot der Stadt Würzburg begrenzt ist, kannst du dich alternativ dafür entscheiden das Praktikum auf dem Land anzutreten. Die Lehrpraxen sind quer über die nördliche Bayernhälfte verstreut. Von der Rhön, über den Spessart, bis hin zum Altmühltal oder Bayrischen Wald – das Angebot ist umfassend! Das Blockpraktikum bietet dir eine wunderbare Möglichkeit in das Leben eines Landarztes hinein zu schnuppern. Gleichzeitig kannst du eine weitere, schöne Ecke des Bundeslandes kennenlernen. Manche Praxen bieten dir sogar eine kostenlose Unterkunft an. Ansonsten kannst du dir beim Institut für Allgemeinmedizin Wohn- und Reisekosten bis zu 200€ erstatten lassen. Ich selbst habe mein Blockpraktikum in einer Hausarztpraxis in Treuchtlingen, doch später dazu mehr.

Wahlfach Allgemeinmedizin im Praktischen Jahr

Im Rahmen des Praktischen Jahres kannst du dich für das Wahltertial Allgemeinmedizin entscheiden. Dadurch erhältst du einen realen Einblick in den Arbeitsalltag eines Hausarztes. Mit der Zeit darfst du zunehmend selbstständig arbeiten und eigene Patienten betreuen, natürlich weiterhin unter Aufsicht des Arztes. Zusätzlich bietet die Uni Würzburg begleitende Seminare an. Ziel ist es dein Wissen zu vertiefen und dich gleichzeitig auf das 3. Staatsexamen vorzubereiten. Neben dem BeLa-PJ (s.h. oben) kannst du dich um eine finanzielle Förderung des Bayrischen Hausärzteverbandes bemühen. Maximal 2400€/Tertial werden zur Verfügung gestellt, um Fahrt- und Wohnkosten zu decken.

Zwei Wochen Blockpraktikum auf dem Land – meine Erfahrungen

Von der Möglichkeit das Blockpraktikum Allgemeinmedizin außerhalb von Würzburg zu machen, war ich begeistert. Zum einen konnte ich so in das Leben eines Landarztes hineinschnuppern, zum anderen eine mir unbekannte Region Bayerns kennenlernen. Ich hatte mich für eine Praxis in Treuchtlingen entschieden. Was soll ich sagen, ich war begeistert!

Gleich am ersten Tag gehörte die erste Sprechstunde des Arztes mir. Wir unterhielten uns über meine konkreten Wünsche und Ziele für die kommenden zwei Wochen. So kam es, dass ich in den Sprechstunden hospitierte, Vorsorgeuntersuchungen durchführte, mich im Ultraschall übte, Einblicke in die Funktionsdiagnostik (EKG, Lungenfunktion) wie chirurgische Wundversorgung erhielt, Blut abnahm, in die Technik des Schröpfens eingelernt wurde oder Haus- und Pflegeheimbesuche begleitete. Es war unglaublich viel geboten! Mein Alltag war dementsprechend vielfältig und bunt. In der Theorie, wie Praxis durfte ich unglaublich viel lernen. Mein Wissenssprung in den zwei Wochen war somit enorm. Das Engagement der Ärzte und des gesamten Praxisteams war einmalig und Fragen waren nie fehl am Platz. Mit viel Begeisterung machte man dem Ausdruck „Studentenlehre“ alle Ehre!

Freizeit & Unterkunft

Nach Praxisschluss drehte ich mit meinem Fahrrad oftmals Runden durch das wunderschöne Altmühltal. Ich fuhr durch die hügelige, grüne Umgebung, vorbei an zwei Baggerseen oder durch schöne, kleine Städtchen. Das war für mich der perfekte Ausgleich zum Praxisalltag!

Untergekommen bin ich auf Kosten der Stadt in einem Tagungs- bzw. Erlebnishotel. Die Bürgermeisterin setzt sich dafür ein den Standort Treuchtlingen unter Studierenden bekannter zu machen. Die Kosten für das Zugticket konnte ich hingegen beim Institut für Allgemeinmedizin einreichen. In Summe sind durch das Blockpraktikum in Treuchtlingen also keine Mehrkosten angefallen.

Mein Fazit zum Blockpraktikum auf dem Land

Abschließend kann ich sagen, dass das Blockpraktikum Allgemeinmedizin in Treuchtlingen mit Abstand das Beste von allen war, die noch folgen sollten. Das lag nicht nur an der großen Vielfalt des Fachs und dem bunten Patientenspektrum, sondern insbesondere an dem Engagement von Seiten des gesamten Teams. Die vertrauensvolle Arzt-Patientenbeziehung, die z.T. über Jahrzehnte hinweg gewachsen ist, hat mich außerdem nachhaltig beeindruckt. Ich kann nur jedem empfehlen die Möglichkeiten warzunehmen, in das Leben eines Landarztes hineinzuschnuppern. Egal ob im Rahmen eines Stipendienprogramms, der Famulatur, des Blockpraktikums oder PJs – du wirst von deinen gesammelten Erfahrungen profitieren! Denn eine bessere Möglichkeit, um sich von den Vorteilen selbst überzeugen zu lassen um langfristig dem Mangel entegegenzuwirken, gibt es kaum.

In diesem Sinne, eine gute weitere Studienzeit!

Eure Marleen


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