Komplementärmedizin als Ergänzung zur Schulmedizin: Akupunktur und Hypnosetherapie - Interview mit Ärztin Bernadette Witt

Komplementärmedizin als Ergänzung zur Schulmedizin: Akupunktur und Hypnosetherapie – Interview mit Ärztin Bernadett Witt

Am 16. November ist Akupunktur-Awareness-Tag – ein Tag, der auf eine Therapieform aufmerksam macht, die seit Jahrhunderten in der traditionellen chinesischen Medizin verwurzelt ist und längst weltweit anerkannt ist. Seit 2010 gehört Akupunktur sogar zum immateriellen Weltkulturerbe der UNESCO und gilt als wichtige Ergänzung zur Schulmedizin, besonders im Bereich der Schmerztherapie. Doch wie kommt man als Ärztin oder Arzt dazu, sich mit der Komplementärmedizin zu befassen und diese einzusetzen?

Bernadett Witt gibt uns im Interview spannende Einblicke in ihre Entwicklung zur alternativen Schmerzmedizin, den Einsatz von Akupunktur sowie anderen naturheilkundlichen Methoden. Sie ist Fachärztin für Anästhesiologie und in ihrer Praxis Witt auf Akupunktur und Hypnosetherapie spezialisiert.

1. Karriere:

Was hat Sie dazu bewegt, sich auf Akupunktur und Hypnosetherapie zu spezialisieren?

Ich arbeite seit 15 Jahren in der Anästhesie und habe stets versucht, einen Fuß in die Schmerztherapie zu bekommen. Bei dem eingeschränkten Angebot an Weiterbildungsstellen habe ich eine Alternative gesucht zur medikamentösen Schmerztherapie und fand den ganzheitlichen Ansatz der Traditionellen Chinesischen Medizin faszinierend. Bei der mehrmonatigen Ausbildung in der Akupunktur habe ich viele inspirierende Menschen und ihre Karrierewege kennengelernt. Ich war so fasziniert von der Herangehensweise und ganzheitlichen Betrachtungsweise in der Akupunkturbehandlung und wollte das weitermachen und Erfahrung sammeln.

Mit der Hypnose und Trance bin ich das erste Mal in Berührung gekommen als ich schwanger war und eine Entbindungsmöglichkeit gesucht habe, bei der ich selbstbestimmt bleiben und meinen Medizinerkopf etwas ausschalten konnte. Ich habe damals einen Hypnobirth-Kurs absolviert und hatte eine tolle, schmerzarme Geburt. Auch mein zweites Kind habe ich unter Selbsthypnose entbunden.

Im Akupunkturkurs habe ich dann KollegInnen kennengelernt, die Hypnose im psychotherapeutischen Ansatz nutzen und wollte das auch können. Das Arbeiten mit dem Unterbewusstsein zeigt häufig einen Zusammenhang von Verhaltensmustern und körperlichen Symptomen und verfolgt ebenfalls einen ganzheitlichen Ansatz.

Wie verlief Ihr Weg von der traditionellen Schulmedizin bis hin zur komplementären Medizin?

Ich habe im Rahmen meiner Arbeit als Anästhesistin im OP gearbeitet, im Rettungsdienst als Notärztin und habe die Zusatzbezeichnung Intensivmedizin absolviert. 15 Jahre mache ich das jetzt, habe viele Patienten gesehen und in Narkose gelegt oder auf der Intensivstation betreut.

Vielen Patienten gemein ist, dass die wenig selbstverantwortlich etwas für sich und ihren Körper tun wollen oder mit fortgeschrittener Erkrankung auch einfach nicht mehr können. Sie suchen Hilfe und haben die Hoffnung, mit einer neuen Hüfte, einem neuen Knie, einer operierten Wirbelsäule schmerzfrei zu sein. Der Arzt als Erretter funktioniert aber leider nicht immer! Und es gibt deutlich weniger invasive Methoden als eine Operation um Beschwerden zu lindern und die Selbstwirksamkeit des Patienten zu stärken.

2. Ausbildung:

Welche speziellen Ausbildungen oder Qualifikationen haben Sie in Akupunktur und Hypnosetherapie erworben?

Ich habe das A-Diplom in der Akupunktur abgelegt. Aktuell behandele ich Patienten unter Supervision meiner Ausbilderin um dann nächstes Jahr die Prüfung zur Zusatzbezeichnung Akupunktur bei der Ärztekammer ablegen zu können. In der Zwischenzeit habe ich noch die Punktionstechnik nach Yamamoto gelernt.

In der Hypnose habe ich das Zertifikat zum Hypnosetherapeuten erhalten und als Zugehörige zur Gruppe der Heilberufe darf ich damit therapeutisch tätig sein.

Gibt es bestimmte Weiterbildungen, die Sie Medizinstudierenden empfehlen würden, die sich für diese Bereiche interessieren?

Ich habe durch junge Kollegen erfahren, dass es Universitäten gibt, an denen Akupunktur mittlerweile im Rahmen des Medizinstudiums als Kurs angeboten wird.

Generell finde ich eine solide Fachweiterbildung sinnvoll. Leider sind viele Fachbereiche aber auf ihr Feld so fokussiert, dass sie den ganzen Patienten gar nicht mehr sehen! Es tut uns allen gut, etwas über den Tellerrand zu schauen, vielleicht Berufserfahrung in mehreren Fachbereichen zu sammeln. Man sollte sich stets die Lebensweisen der Patienten ansehen.

3. Arbeitsalltag:

Wie sieht Ihr typischer Arbeitstag in der Klinik und nebenberuflichen Praxis aus?

Für gewöhnlich gehe ich morgens nach der Frühbesprechung in den OP, in den mir zugeteilten Saal. Dort lege ich mit den pflegerischen Kollegen zusammen den Patienten in Narkose, erhalte die Narkose aufrecht, kümmere mich um Beatmung, den stabilen Kreislauf und die Schmerztherapie des Patienten und lasse ihn nach der OP wieder wach werden. Während der aktuelle Patient wach wird, wir der nächste im Einleitungsraum schon vorbereitet. Ich bringe meinen Patienten in den Aufwachraum und kümmere mich dann um den nächsten. Die Routinetätigkeit wird dadurch spannend, dass die Operationen unterschiedliche Risiken mit sich bringen, sowie die Vorerkrankungen der Patienten einen durchaus vor Herausforderungen stellen können.

Im OP eines Krankenhauses ist die Taktung ziemlich hoch, in den letzten Jahren stieg zunehmend der Zeitdruck. Ziel ist es, den Patienten zügig in Narkose zu legen, ihn sicher durch die Operation zu betreuen und ihn danach schmerzfrei und stabil im Aufwachraum an die Kollegen zu übergeben. Die Patientensicherheit zu gewährleisten hat dabei Priorität. Trotz Zeitdruck darf meiner Meinung nach der empathische Umgang mit dem Menschen, der eine Narkose braucht und auf meine Kompetenz vertrauen muss, nicht zu kurz kommen.

Im Gegensatz dazu arbeite ich aktuell nur einen Nachmittag in der Woche in der Praxis. Da kann ich mir die Zeit so einteilen wie ich möchte und mir entsprechend Zeit für den Patienten nehmen. Das ist ein ganz anderes Arbeiten. So ist es auch möglich den Patienten ganzheitlich zu betrachten. Der Fokus ist nicht nur auf die Problemzone gerichtet, sondern betrachtet alle möglichen Einflussfaktoren auf die Beschwerdesymptomatik. Und ich bekomme Feedback wie die Therapie angeschlagen hat und an welchen Punkten noch Nachholbedarf ist.

Was sind die größten Herausforderungen bei der Arbeit mit Akupunktur und Hypnosetherapie?

Zu mir kommen für Gewöhnlich Patienten, deren Symptomatik schon lange besteht, die schon viel mitgemacht und ausprobiert haben. Weder von der Akupunktur, noch von der Hypnosetherapie darf man eine Wunderheilung erwarten. In der Akuttherapie habe ich mit Ohrakupunktur schon sehr zügige Ergebnisse erzielen können. Aber je länger Beschwerden bestehen, desto länger braucht auch die Akupunktur um das Gleichgewicht wiederherzustellen.
Ebenso muss man sich von der Vorstellung der Show-Hypnose freimachen, dass ich in Trance einen Gedanken einpflanze (z.B.: „Ich werde ab morgen nicht mehr rauchen.“) und dann alle Beschwerden beseitigt sind. So funktioniert die HypnoseTHERAPIE nicht! Es geht eher darum, dass man alte verankerte Verhaltensmuster durch das Arbeiten mit dem Unterbewusstsein aufdeckt, neu sortiert und ein stimmiges Gefühl wieder herstellt. Beim Patienten soll die Selbstwirksamkeit wieder hergestellt und gestärkt werden.
Deshalb sind Patienten, die erwarten, dass ich sie ohne ihr eigenes Zutun „heile“, bei mir falsch.

4. Integration & Wirksamkeit:

Wie integrieren Sie Akupunktur und Hypnosetherapie in die allgemeine medizinische Versorgung Ihrer Patienten?

Im klinischen Alltag mit hohem Durchlauf in der Anästhesie ist die Integration tatsächlich schwierig.
Dafür müssten die Patienten im Vorhinein über Akupunktur aufgeklärt sein und das ist bei der Patientenanzahl nicht zu leisten. In seltenen Fällen kann man überlegen ob es sinnvoll ist einzelne Nadeln supportiv im Aufwachraum zu setzen, wenn Patienten fortgesetzt Schmerzen und/oder Übelkeit haben. Da kann die Akupunktur im Ausnahmefall eingesetzt werden.
Wo ich Akupunktur häufiger mal im Krankenhaus durchführe, ist bei KollegInnen, die akut Beschwerden (Schmerzen bei muskulärer Verspannung oder Blockade, akuter Migräneanfall, etc.) haben. Das ist schnell und einfach durchzuführen und erhält die Arbeitskraft aufrecht.
Die Hypnosetherapie setze ich im Klinikalltag nicht ein. Dafür aber entsprechende Entspannungsübungen, die man auch einsetzt um eine tiefe Trance einzuleiten. In der Narkoseeinleitung wird das supportiv zu der Medikation regelmäßig gemacht, weil ein Patient, der entspannt ist, auch merklich weniger Narkosemedikamente braucht.
Um tatsächlich effektiv mit diesen Methoden zu therapieren, habe ich den Weg in die Teil-Selbstständigkeit gesucht.

Welche Arten von Beschwerden oder Erkrankungen behandeln Sie am häufigsten mit diesen Methoden?

In Akutfällen, das heißt bei Verwandten, Freunden, Kollegen, die akut Schmerzen haben z.B. im Rahmen einer Blockade oder muskulärer Verspannung oder Migräneanfall, habe ich immer mein Täschchen mit Nadeln dabei. Das hilft schnell und effektiv.
Chronische Erkrankungen in der Praxis sind entweder orthopädischer Natur, wie der klassische Rückenschmerz- Patient oder langjährige Migränepatienten. Jetzt zum Winter hin rechne ich auch mit Heuschnupfenallergikern, bei denen man behandeln sollte, bevor der Pollenflug im Frühjahr beginnt.

Bei der Hypnosetherapie ist es ganz unterschiedlich. Da kommen Patienten mit Beziehungsproblemen oder mit Mustern, die ihnen in ihrem Verhalten bereits aufgefallen sind und die sie stört. Im Endeffekt findet man da ganz unterschiedliche Ursachen, sei es durch bisher unbewusste traumatische Ereignisse oder einschneidende Erlebnisse in der Vergangenheit. Das wird im Idealfall im Rahmen der Trancearbeit aufgedeckt und aufgelöst.

4. Patient:innen & Ergebnisse:

Wie reagieren Ihre Patienten auf diese alternativen Therapieformen, insbesondere diejenigen, die zuvor nur schulmedizinische Behandlungen hatten?

Patienten, die mit diesen Therapieformen noch nie in Berührung gekommen sind, sind meistens zunächst skeptisch ob das überhaupt bei ihnen wirkt. Freunde, Verwandte, Kollegen, die ich so nebenbei behandle, weil sie akut Schmerzen haben, geben mir sehr positive Rückmeldungen und sind selbst überrascht, wie gut ein paar gut gesetzte Nadeln helfen können.
Die zweite Frage ist meistens „Wird das von der Kasse bezahlt?“ Das muss ich in MEINER Sprechstunde (zumindest für gesetzlich Versicherte) verneinen, das ist eine reine IGel-Leistung. (Die GKV bezahlt allenfalls chronische LWS- oder Knieschmerzen und das auch nur unter strengen Vorgaben.) Diejenigen chronisch Erkrankten, die dann trotzdem kommen, sind, glaube ich, überrascht, was ich alles erfrage, wie tief man sich bei so einer Akupunktursitzung entspannen kann und wie gut sich eine allgemeine, auch muskuläre Entspannung, auf viele Beschwerdebilder auswirkt.
Patienten, die zur Rauchentwöhnung oder zum Abnehmen Nadeln haben wollen, muss man zunächst darüber aufklären, dass die Akupunktur nur supportiv wirken kann, sie kann die Entscheidung dazu, nicht mehr rauchen oder essen zu wollen, nicht herbeiführen!
Die Hypnosetherapie hat sich im Vergleich dazu noch nicht sehr weit verbreitet. Zunächst muss auch hier die Illusion, die viele durch die „Show-Hypnose“ aus dem Fernsehen kennen, aufgelöst werden. Eine Vertrauensbasis zwischen Therapeut und Patient ist sehr wichtig, damit der Patient Gelegenheit hat, sich zu öffnen und man an den Kern der Ursache der Symptomatik überhaupt herankommt. Das kostet viele Menschen große Überwindung. Ebenso das Bewusstsein dafür zu schaffen, dass der Erfolg der Hypnosetherapie von ihnen selbst und ihrer Mitarbeit abhängt.

Können Sie uns ein Beispiel für einen besonders erfolgreichen Fall geben, den Sie mit Akupunktur oder Hypnosetherapie behandelt haben?

Ich mach das erst seit Anfang des Jahres als Nebentätigkeit. Eindrucksvoll sind am Ehesten die Fälle, wo im Bekanntenkreis akute Schmerzen auftreten. Meine Kollegin hat sich mal mit (seit 3 Tagen bestehender) massiver Nackensteifheit bis in den Rücken ziehend zum 24h-Dienst geschleppt, konnte kaum den Kopf drehen. Schmerzmedikamente halfen kaum. Ich habe ihr in der Mittagspause Nadeln gesetzt und sie 20min liegen lassen. Nachmittags ging ́s von Stunde zu Stunde besser, sodass sie den Dienst gut überstanden hat.

Am nächsten Tag rief sie mich begeistert aus ihrem Frei an, sie habe kaum noch Beschwerden, am Tag darauf war sie beschwerdefrei. Eine andere Kollegin kam mit schlimmer Heuschnupfensymptomatik: Naselaufen, Augenjucken, Husten. Medikamente hatte sie schon alle durchprobiert und verträgt viele nicht mehr. Ich habe ihr ein paar Dauernadeln ins Ohr gesetzt. Am nächsten Tag waren Jucken, Augenbrennen, Naselaufen weg. Nur noch ein bisschen Husten. Das sind so kleine Erfolgserlebnisse, die mich bestärken und wo mir das Arbeiten mit den Nadeln wahnsinnig viel Spaß macht.

5. Tipps für Medizinstudierende

Was würden Sie Medizinstudierenden raten, die eine ähnliche Karriere anstreben?

Go for it! Traut euch! Schaut über den Tellerrand. Wartet nicht darauf, das andere euch den Weg bereiten, sondern sucht euch entsprechende Weiterbildungsmöglichkeiten und versucht das in euren Klinik- oder Praxisalltag zu integrieren.

Ich muss aber dazusagen, dass Studierende sich sehr wahrscheinlich zunächst auf ihre favorisierte Facharztrichtung fokussieren werden. Ich glaube, die typische Phase für „alternative“ Karrieren kommt bei den meisten erst nach der Facharztprüfung. Bei uns Frauen auch typischerweise, wenn man z.B. Kinder geboren hat, diese dann aus dem Gröbsten raus sind und man dann das Gefühl hat, das kann noch nicht alles gewesen sein… Irgendwann kommt man in das Alter, in dem man merkt, dass der Körper einen 24h-Dienst immer schlechter verkraftet, dass man die Wochenenden und Feiertage doch lieber mit seiner Familie verbringt. Und dann schaut man sich auch außerhalb der Grenzen seines Fachbereichs um.

Welche Fähigkeiten oder Eigenschaften sind Ihrer Meinung nach besonders wichtig für Ärzte, die in diesen Bereichen tätig sein möchten?

Die Fähigkeit gesamtkörperliche Zusammenhänge und Auswirkungen einer Erkrankung auf den menschlichen Körper zu verstehen ist essentiell. In jeder Fachrichtung. Viele Ärzte sind, nicht selten durch das hohe Arbeitsaufkommen, gar nicht in der Lage einen Fokus darauf zu setzen.
Ein Beispiel aus dem intensivmedizinischen Bereich ist die Sepsis (Blutvergiftung), deren Frühwarnzeichen schnell übersehen werden können, wenn man nicht dafür sensibilisiert ist. Und deren systemische Auswirkungen häufig bestehen bleiben und ein hohes Sterberisiko mit sich bringen, auch wenn die operative Sanierung der Infektquelle bereits erfolgt ist.

Ich rate jedem Arzt (auch schon im Rahmen des Medizinstudiums), wenigstens ein paar Monate auf der Intensivstation mitzuarbeiten um ein Gefühl für den GANZEN Patienten zu bekommen und nicht nur auf den kleinen Ausschnitt, den seine Fachabteilung behandelt.
Ähnlich ist es mit Symptomen, die psychischer oder psychosomatischer Natur sind. Der Blick für den ganzen Menschen ist bei der Ursachensuche essentiell. Wir behandeln oft nur Symptome, aber nicht die Ursachen von Beschwerden. Für mehr lässt unser aktuelles Gesundheitssystem leider durch Mangel an Zeit und Geld wenig Möglichkeiten übrig.

Die Fähigkeit, seinen Blickwinkel in dieser Mühle nicht einzuschränken, sollte man sich erhalten.

Was möchten Sie angehenden Medizinern mit auf den Weg geben, die darüber nachdenken, alternative Heilmethoden in ihre zukünftige Werdegang zu integrieren?

Insbesondere bei uns Frauen fiel mir im Laufe der letzten Jahre (auch an mir selbst) auf, dass wir häufig unsicher darin sind, neue Wege zu beschreiten, weil wir das Gefühl haben, in Etwas noch nicht „gut genug“ zu sein. Das ist aber bei allem so und mein Rat wäre, einfach anzufangen! Man kann die fünfhundertste Fortbildung gemacht haben und sich immer noch unvorbereitet fühlen. Einfach praktizieren und im Verlauf schauen, was man in seinen täglichen Alltag einbinden kann und was man weiterführt oder was eben nicht passt.

6. Zukunftsperspektiven:

Wie sehen Sie die Zukunft der integrativen Medizin, insbesondere in Bezug auf Akupunktur und Hypnosetherapie?

Ich bin der Überzeugung, dass der Bedarf steigen wird. Viele Patienten suchen sich bereits alternative Methoden zur Operation. Sie gehen zum Heilpraktiker oder Coach, weil sie dort keine 6 Monate auf einen Facharzttermin warten müssen. Der hohe Patientenzulauf bei niedergelassenen Kollegen lässt gar nicht die zeitliche Möglichkeit, sich in der Ausführlichkeit dem Patienten zu widmen.

Im Moment ist die Komplementärmedizin noch ein „Luxusgut“, weil die Gesetzlichen Krankenkassen sie nicht übernehmen. (Seit 2007 lediglich die Akupunktur bei Knie- und LWS-Schmerzen.)

Ich bin gespannt wie das Gesundheitssystem sich, auch nach Umsetzung der Krankenhausreform, weiterentwickeln wird.

Welche Entwicklungen oder Trends beobachten Sie in diesen Fachgebieten, die für angehende Mediziner von Interesse sein könnten?

Die Akupunktur wird durch Ärzte und Heilpraktiker, in eingeschränkter Form auch von Hebammen, durchgeführt. Seit 2007 zahlt die Gesetzliche Krankenkasse bei chronischen Knie- und Lendenwirbelschmerzen die Akupunkturbehandlung.
Bei den privaten Krankenkassen zeichnet sich ein Trend ab, dass auch andere chronische Erkrankungen übernommen werden. Das sehe ich als positiv und es zeigt, dass die Akupunktur einen etablierten Platz in der Behandlung chronischer Erkrankungen verdient.

Der massive Anstieg von psychischen Erkrankungen in der Bevölkerung (insbesondere auch seit der Pandemie) und die steigende Wartezeit auf einen Psychotherapieplatz lässt sich nicht leugnen. Viele meiner KollegInnen, vor allem Allgemeinmediziner, machen eine psychotherapeutische Ausbildung, um die Vielzahl an Patienten mit auffangen zu können. Der explosionsartige Anstieg an „Coaches“ in den letzten Jahren zeigen wie hoch der Bedarf ist.

Und die psychotherapeutische, ergotherapeutische, physiotherapeutische Mitbehandlung chronischer Schmerzen hat auch in der Schmerztherapie bereits einen etablierten Platz; also auch hier der Trend zum ganzheitlichen Ansatz!

Wir bedanken uns herzlich für das interessante Interview und die wertvollen Einblicke in die Komplementärmedizin.

Dein Interesse ist geweckt? Falls du dich schon während des Medizinstudiums oder der Facharztausbildung für Alternativen zur klassischen Schulmedizin interessierst, lohnen sich frühzeitige Weiterbildungen – dann steht auch einer Niederlassung in diesem Bereich nichts mehr im Weg.


Mehr über Ärztin Bernadett Witt:

„Im Rahmen meiner beruflichen Laufbahn als Ärztin in der Anästhesiologie, Intensivmedizin und Notfallmedizin habe ich eine fundierte Ausbildung absolviert. Durch meine mehr als fünfzehnjährige Tätigkeit bin ich mit den psychischen Aspekten von Krankheiten und chronischen Schmerzen und dem großen Therapiebedarf in diesem Bereich vertraut.

Im Rahmen der Geburt meiner Tochter, die ich unter Geburtsbegleitender Hypnose nahezu schmerzfrei zur Welt brachte, kam ich zum ersten Mal mit dem Thema Trance-Arbeit in Berührung und war vollends beeindruckt und überzeugt von der Wirkung der Hypnose.

Ich begann mich von der rein somatischen Medizin fort- und weiterzubilden. Mein Anliegen ist es, den Menschen in seiner Ganzheit zu sehen und eine Brücke zu schlagen zur Komplementärmedizin wo die Schulmedizin an ihre Grenzen kommt. Ziel ist es dem Patienten wieder zum Gefühl der Selbstbestimmtheit zu verhelfen.“

Für mehr Informationen besucht gerne ihre Praxisseite: www.praxis-witt.com


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